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Museum für Kunst im öffentlichen Raum

Text von Klaus Geldmacher

NRZ Mülheim, 27.05.2008, Steffen TOST

Zukunftsvision für den Viktoriaplatz
in Mülheim an der Ruhr

Stein des Anstoßes ist er seit vielen Jahren, der Viktoriaplatz. Misslungene Bebauung und Gestaltung waren immer wieder Gesprächs-, Streit- ja sogar Wahlkampfthema. Den Abbruch des Hajek-Brunnens forderte 1999 der spätere Oberbürgermeister, der seinen Platz dann selbst räumen musste. Seine Nachfolgerin bläst nun zum Aufbruch am Viktoriaplatz: Grundsteinlegung des Medienhauses, ein Bauprojekt im PPP-Modell, Public-Private-Partnership.

PPP auch beim benachbarten Kunstmuseum, allerdings als Pleiten, Pech und Pannen. Die Umbaupläne werden gestoppt, die Direktorin verlässt zum Jahresende das Haus. Allenthalben ungläubiges Staunen und resignierendes Kopfschütteln. Doch nach der Schockstarre keimt wieder Zuversicht. In der letzten Sitzung des Kulturausschusses wurde der Blick nach vorne gerichtet: Mehrere Millionen Baukosten könnten anders und sinnvoller für das Museum verwendet; private Investoren - PPP - müssten gewonnen werden. Der Planungspanne soll keine Finanzpleite folgen.

Pech für Mülheim, dass es die Museumschefin in ihre Heimatstadt Innsbruck zieht. Der Zufall führt Regie bei der plötzlichen Notwendigkeit baulicher wie personeller Erneuerung. Die Weichen dürfen dadurch vollkommen neu gestellt werden. 100 Jahre nach seiner Gründung könnte das Kunstmuseum von Grund auf erneuert werden: neues Gebäude, neue Leitung und neues Profil. Doch welche konzeptionellen Zukunftspläne gibt es für das Kunstmuseum?

Da hilft ein Blick in den Mülheimer KulturDialog2, im März 2008 vom Kulturausschuss gebilligt. Das Kunstmuseum solle sich "nachhaltig als ebenbürtiger Partner der RuhrKunstMuseen einbringen... Um in der umliegenden Museumslandschaft mit einem eigenen Ausstellungsprofil maßgeblich mitspielen zu können, soll der Fokus der Wechselausstellungen auf zeitgenössische regionale und internationale Kunst fortgeführt und weiter entwickelt werden." Der KulturDialog2 postuliert "Ohne Programmatik und Ziele riskiert Kulturpolitik Beliebigkeit" und will "Zukunftsvision" formulieren.

Wer das beherzigt, sollte jetzt - in der aktuellen Situation - neue Ansprüche an das Kunstmuseum stellen. Gesucht wird Unverwechselbares, ein Alleinstellungsmerkmal, das die kunstinteressierten Besucher des Ruhrgebiets vom Museum Folkwang, Zollverein, Schloss Oberhausen, Museum Küppersmühle, Lehmbruck-Museum oder Quadrat Bottrop nach Mülheim lockt. Wenn das Kunstmuseum in der Megametropole Ruhr, 2010 Europas Kulturhauptstadt, bestehen will, braucht es eine inhaltlich markante Ausrichtung. Eine solche fehlt ihm bisher, da sein heutiges Profil inhaltlich wie baulich nie bewusst geplant wurde. Die Entstehungsgeschichte belegt dies. Ohne Polemik kann von einer notgedrungenen, durch Spenden und Stiftungen "erzwungenen", nicht aber von einer konzeptionell gewollten Entwicklung gesprochen werden.

Auch die Standorte des Museums waren - bei aller Freude über das jeweils Erreichte - letztendlich Notlösungen. Der Name des heutigen Kunstmuseum in der Alten Post macht das überdeutlich. Der unvermeidbare Denkmalschutz verhindert ein einladendes Foyer mit Bistro und publikumsfreundliche Ausstellungsarchitektur. Wer die sehenswerte Sammlung Ziegler besuchen will, muss sie erst mal finden. Das Gebäude wurde für andere Zwecke gebaut. Ursprünglich sollte es abgerissen
werden. Otto Herbert Hajek hätte seinerzeit darauf bestehen sollen, denn seine umstrittene Brunnenanlage auf dem Viktoriaplatz wird durch die Alte Post erheblich beeinträchtigt. Die farbige Raumskulptur wirkt deplatziert weil das Umfeld nicht stimmt.

Und damit sind wir beim Thema. Kunst im öffentlichen Raum treibt die Gemüter immer wieder um. Sie beschäftigt die öffentliche und veröffentlichte Meinung weit mehr als noch so provokante Kunstwerke im Museum. Fast alle namhaften Künstler jeder Epoche haben sich mit der Wechselwirkung zwischen Architektur und Kunst auseinandergesetzt. Das Spektrum liegt zwischen utopische Entwürfen und
pragmatischer Gestaltung. Es wäre an der Zeit, das Thema kunstwissenschaftlich aufzuarbeiten.

Ein Museum für Kunst im öffentlichen Raum - eine Zukunftsvision für Mülheim? Jedenfalls wäre es eine prägnante Profilierung des Kunstmuseums, die bundesweit Beachtung fände. Kein einziges Museum in der Republik widmet sich ausführlich und grundlegend diesem Spezialgebiet. Mülheim könnte Pionierarbeit leisten. Skizzen, Entwürfe, Modelle, Erläuterungen zu Kunst am Bau, Texte und Manifeste zum Thema sind mit Sicherheit in vielen Künstlerateliers und Nachlässen zu finden, vermutlich sogar preiswert zu erwerben. Eine neue einmalige Sammlung könnte aufgebaut werden.

Ein lebendiges "Künstlermuseum" könnte entwickelt werden, in dem Streitgespräche zu aktuellen Entwürfen stattfinden, internationale Workshops zur Stadtgestaltung, Fachtagungen mit Architekten. Ein Archiv mit Internet-Portal und eine Clearingstelle für Kunst am Bau - Aufträge sind denkbar. Allerdings: Ein Museum für Kunst im öffentlichen Raum in Mülheim müsste auch architektonisch seinem Namen gerecht werden. Die Alte Post, zumindest das Frontgebäude, sollte abgerissen, ein neues, dem speziellen Thema adäquates Bauwerk müsste errichtet werden. Baukunst im öffentlichen Raum, die auch der Hajek-Skulptur gerecht wird.

Nun wird vermutlich der Einwand kommen: Schön und gut, das ist eine Idee, es gibt noch andere Möglichkeiten für das Kunstmuseum. Okay - her damit. Alles darf gedacht werden, die Stadt muss schließlich für Neues gewonnen werden. Eine breite öffentliche Diskussion, wie es mit dem Kunstmuseum weitergehen soll, ist zu führen unter Einbeziehung auswärtiger Museumsexperten. Die Kulturpolitiker wären gut beraten, sich Zeit zu lassen - auch mit der Neubesetzung der Museumsleitung. Die Entwicklung eines neuen Museumsprofils muss Vorrang haben. Denn, siehe oben: Ohne Programmatik und Ziele riskiert Kulturpolitik Beliebigkeit.
Aus der Not eine Tugend machen
Chefin weg, Sanierung vertagt: Das Kunstmuseum steht vor gravierenden Weichenstellungen. Der Künstler Klaus Geldmacher präsentiert jetzt einen provokanten Denkanstoß - viel Kunst, wenig Museum.

Krisen bieten auch immer die Chance für einen Neubeginn. In das Vakuum nach der vertagten Museumssanierung auf 2011 durch die überraschende Kostenexplosion platzt jetzt der Künstler Klaus Geldmacher mit einer originellen wie provozierenden Idee. Damit will er eine Diskussion über die Zukunft des Museums im Hinblick auf die „Megametropole 2010” eröffnen. Am Viktoriaplatz galt unter den Gestaltungskritikern bislang die Devise: der Hajek-Brunnen passt nicht zum Kunstmuseum alte Post - deshalb sollte er weichen. Das hatte auch schon Ex-Oberbürgermeister Jens Baganz erfolglos probiert. Dass Museum und Denkmal nicht zusammen passen, stellt auch Geldmacher nicht in Frage. Aber er dreht den Spieß mit allen Konsequenzen einfach um: Das Museum passt nicht zum Brunnen, der zudem länger besteht als der Musentempel. Otto Herbert Hajek hätte damals auf den Abriss der Alten Post bestehen sollen, „denn seine umstrittene Brunnenanlage wird durch die Alte Post erheblich beeinträchtigt, findet der 68-jährige Künstler. Die farbige Raumskulptur wirkt deplatziert, „weil das Umfeld nicht stimmt.”
Kunst im öffentlichen Raum treibt die Gemüter an. Mal ist die Kunst den Bürgern wie die „Panzersperre” vor der Stadthalle zu abstrakt, mal zu trivial wie der Gasmann an der Bachstraße. Ärger um Kunst im öffentlichen Raum ist keine Mülheimer Spezialität. Man denke nur an die Landeshauptstadt. In Düsseldorf wurde ein Kieselplatz von Günther Uecker zum Stein des Anstoßes, weil sich die Steinchen im Sohlenprofil festsetzen. Die Stadt ließ den Platz asphaltieren und musste alsbald einen Rückzieher machen, weil sich der „Nagelkünstler” mit Verweis auf das Urheberrecht durchsetzen konnte. Kunst im öffentlichen Raum beschäftigt die Öffentlichkeit oft mehr als provokante Kunstwerke im Museum - denn ihrem Anblick kann man sich nicht entziehen. Aus dieser misslichen Situation könnte das Mülheimer Museum Honig saugen, um im Konzert der Kunstmuseen in der Region mithalten zu können. Geldmacher schlägt ein Museum für Kunst im öffentlichen Raum vor. Fast alle namhaften Künstler jeder Epoche haben sich sich mit der Wechselwirkung zwischen Architektur und Kunst auseinandergesetzt. „Es wäre an der Zeit, das Thema kunstwissenscharftlich aufzuarbeiten”, findet der 68-Jährige. Das Thema böte, da ist er sich sicher, für das Museum Alte Post eine prägnante Profilierung, die bundesweit Beachtung fände. „Kein einziges Museum in der Republik widmet sich ausführlich und grundlegend diesem Spezialgebiet. Mülheim könnte Pionierarbeit leisten.” Skizzen, Entwürfe, Modelle, Erläuterungen zu Kunst am Bau, Texte und Manifeste zum Thema seien mit Sicherheit in vielen Künstler-nachlässen zu finden und vermutlich preiswert zu erwerben. Aus seiner Sicht könnte eine neue einmalige Sammlung aufgebaut werden. Der Haken: Der Ankaufsetat des Museums liegt bei null Euro. In der Vision von Geldmacher könnte ein lebendiges Künstlermuseum entstehen, in dem Streitgespräche zu aktuellen Entwürfen geführt werden, internationale Workshops zur Stadtgestaltung und Fachtagungen mit Architekten abgehalten werden. Ein Archiv mit Internet-Portal und einer Clearingstelle für Kunst am Bau gäbe es - Aufträge und damit Einnahmen sind denkbar. Ein Museum für Kunst im öffentlichen Raum müsste auch architektonisch seinem Namen gerecht werden. Dazu müsste zumindest das Frontgebäude mit der historischen Fassade abgerissen und ein Neubau errichtet werden, der auch der Hajek-Skulptur gerecht wird.

Geldmacher spürt, dass sein Vorschlag auf Einwände stoßen wird. Die scheut er nicht. Hauptsache, dass eine fruchtbare öffentliche Diskussioin über die Zukunft des Museums geführt wird. Bis zu ihrem Ende sollte mit der Besetzung der Museumsleiterin auch gewartet werden.



HINTERGRUND
Beim Kunstmuseum handelt die Stadt in der Vergangenheit aus der Defensive, nie aus der Offensive, kritisiert der Künstler Geldmacher. Schon der Standort des Museums war eine Notlösung.
Die Sammlung Ziegler ist ein Glücksfall ebenso wie der große Bestand an Zille-Werken, der außerhalb Berlins seinesgleichen sucht. Doch eine gewollte konzeptionelle Ausrichtung bewirkte weder das eine noch das andere. Mit dem Kulturdialog wird eine stärkere Konzeptionierung gefordert, „um mit einem eigenen Ausstellungprofil maßgeblich mitspielen zu können.” Ohne Programmatik riskiere Kulturpolitik Beliebigkeit. Diese Postulat nimmt Klaus Geldmacher ernst. Er wurde 1940 in Frankfurt geboren und vor allem durch Leuchtobjekte bekannt. Seit 1997 lebt der bekannte Künstler in Mülheim. Gemeinsam mit Jochen Leyendecker verfolgt er derzeit das Projekt Fluxus - Mülheim am Rumbach. Ein Teil des Konzeptes ist ein interaktives Mühlendenkmal an der künftigen Ruhrpromenade.